Sonntag, Oktober 02, 2005

attraktion ooty

ooty ist eine bergstation, ein vertraeumtes nest weitab von allem in den bergen, an einem see gelegen. einziger haken ist, dass irgendwer einen vergnuegungspark heraufgeschleppt hat, der von frueh bis spaet die einsamkeit mit den neuesten bollywoodhits aufwertet.

es gibt hier eine titanic-huepfburg, einen orangenen drachen, der den ganzen tag inderkinder schwindelig faehrt und alle paar meter werden kleine struppige pferde feilgeboten, auf die der inder seine expandierende gattin hieven und ein foto davon machen kann.

hier oben offenbart das schoene land ein ganz anderes gesicht. ein gebraeu aus dreck und schnulli. vielleicht liegts an der sonne, die, wenn sie doch mal durch den kalten dunst gelangt, dir mit laserstrahlen in den kopf sengt, vielleicht ists die duenne luft... wir folgen schildern wie "space ride" oder "thrillarium" und finden unten am see das "final fun center".

ein schuppen, in dem sich bei ohrenbetaeubender musik quietschende junginder mit autoscootern anrempeln. der letzte spass auf erden, der finale rettungsspass sozusagen, ist dann wahrscheinlich, in einem plasteboot (mit schwanenhals und gefaehrlicher schlagseite da wo die fette mama sitzt) auf den see hinauszustrampeln, draussen, auf ootys jauchegrube, chips zu essen und noch ein paar tueten mehr ins wasser zu schmeissen.

ich gehe ein paar schritte am see entlang und kanns nicht fassen. in indien schmeisst wirklich jeder seine sachen weg wo er gerade aufhoert, sie zu brauchen. es gibt nirgends papierkoerbe, ausser hie und da ein paar devoten plastetieren, die mit stierem blick und der bitte "use me" ihre schoesse aufhalten (meist hasen oder absurderweise pinguine, die einzigen vielleicht, die nicht heilig sind). ist aber selten was drin in den abfalltieren, das land ist an sich so lustig, dass der spassfaktor, einem traurig dreinblickendem haeschen dreck ins koerbchen zu werfen total untergeht.

unser hotel ist ein lichtblick in dieser endzeitstimmung. das feuchtkalte klima in den zimmern ist nicht gut fuer den hals, aber das macht der ausgezeichnete masalatee und die herzlichen leutchen (die hier wirklich ausserordentlich klein sind) wieder wett.
in zimmer neben uns wohnen ein paar moderne junginder, freunde, die sich hier alle paar jahre wiedertreffen, wie sic herausstellt. sie betrinken sich die ganze nacht vor unserem zimmer und lassen uns in aller lautstaerke daran teilhaben.
einer von ihnen macht das sogar so toll, dass er am anderen tag zu keinerlei spass mehr faehig ist und vor seinem zimmer sitzenbleibt, als die anderen schon wieder auf piste gehen. das verschafft mir die gelegenheit einer kleinen schnapsnasigen unterhaltung, bei der ich zuallererst nach hitler ausgefragt werde. da ich nicht die gewuenschte begeisterung fuer das thema mitbringe, gibt es mit dem hinweis, dass er ja nur mein bestes will, eine liste von orten, die ich unbedingt besuchen soll. denn da faende ich das wahre inden. unsere reiseroute findet er eher doof und ich werde nicht versuchen, dem energischen jungen mann, der 32 ist, eigenen angaben zufolge hauptberuflich fuer seine mutter sorgt und nebenbei trinkt wie kurt cobain und elvis presley, zu erklaeren, dass ich das wahre indien rein philosophisch gesehen eher um die ecke vermute, mitten unter uns sozusagen.
ich muss ihm fest versprechen eine liste von attraktionen, die er mir aufschreibt, abzuarbeiten, werde dafuer noch gesegnet und bin ganz froh, seiner schnapsfahne zu entkommen.
als wir abends zurueckkommen ist er mit all seinen freunden weg. wegen anhaltender trunkenheit und sonstigen schwierigkeiten aus dem hotel geworfen.

zurueck laesst er mir sache mit den attraktionen, den wenigen orten in jedem land, die entweder von der wirklichkeit verschont geblieben sind oder einem vorgaukeln sollen, dass es einmal eine zeit gegeben hat, die weniger wirklich war. und die sache mit uns touristen, die von attraktion zu attraktion tingeln und zu haus erzehlen, wie schoen das land war.