Freitag, Oktober 07, 2005

es wird waermer

unsere herunterfahrt aus den bergen ist sehr ansehnlich. wir geniessen wunderschoene ausblicke ins tiefland, die sich leider auf der holprigen strasse allen fotoambitionen entziehen. auf halber strecke gibt es in einem blumengarten einen leckeren tee mit blick auf bewaldete haenge... das herz weitet sich wieder.

mit jedem kilometer wird das klima freundlicher, bis wir dann endlich wieder unter palmen dahinsausen und schwitzen wie es sich gehoert. in coimbatore nehmen wir platz in einem zug, in dem jeder seinen platz und alles seine ordnung hat. bis zum abend heisst es dem grossen land beim vorbeiziehen zuzusehen und abzuwaegen, ob man die leckereien, die eilige verkaeufer auf tabletts durch die waggons tragen, auch nachhaltig das dasein versuessen.

ich versuche einen kleinen fladen, der mit allerlei unbestimmbarem gefuellt ist, das so eigenartig schmeckt wie aussieht. ich bin begeistert und mir geschieht nichts.

am spaeten abend steigen wir in trichy aus dem klimatisierten zug. man muss sich das so vorstellen, wie wenn man in eine wand aus zuckerwatte laeuft. es macht whopp... und auf der stelle klebt alles an einem fest.
ein wichtiger herr kontrolliert noch beim verlassen der station, ob wir auch ein ticket hatten. wer weiss ob er weiss wozu das gut ist...

spaetestens als wir die stadt betreten bin ich wieder versoehnt mit dem lustigen land. es sieht nicht anders aus als anderswo, der dreck, der laerm, aber irgendwas ist besser in dieser stadt als in mysore. als mich etwas spaeter ein netter herr (der mir nichts verkaufen will) namens micky (not micky mouse, wie er betont) in einer sehr netten unterhaltung fragt, ob mich indien nicht manchmal auch paranoid macht, hab ich meinen groll auf mysore und ooty schon laengst wieder vergessen und sage no.

wir wechseln noch mal unser hotelzimmer, da in der ersten wahl (zu nahe an der kueche) die kakerlaken groesser sind, als die geckos, die sie fressen sollen, ja fast schon groesser als der schuh, mit dem ich sie erschlagen will.

der grosse propeller an der decke drueckt uns fest in die kissen und wir schlafen ein.

Mittwoch, Oktober 05, 2005

die wilde kreatur

ich haenge ein bisschen hinter meiner berichterstattung her, denn wir sind inzwischen an der letzten station unserer reise angelangt. wieder am meer, schlaf und gutes essen und vielleicht der eine oder andere blogeintrag, bevor die erbarmungslose sonne hier die letzten erinnerungen aus meinem kopf herausdampft...

ein epochales highlight war zum beispiel unsere safari im mudumalai - wildpark. ich hab den wilden kreaturen zwar nicht ins auge blicken koennen, aber immerhin in den nacken, denn wir sassen im bus ganz hinten.
im hinteren von zwei bussen, um genau zu sein. das ist erwaehnenswert, denn wenn da draussen auch nur ein einziges tier war, dann ist es bestimmt nicht an der strasse sitzengeblieben, um der ganzen kolonne zu winken.

wir hatten also freie sicht auf den mudumalai wald. eine weile hab ich auch noch versucht bei dem geruettel mit dem teleobjektiv im gebuesch nach essbarem zu stochern, dann fiel mir aber eine der zentralen binsenweisheiten unseres trunkenen zimmernachbarn in ooty ein: "the wildest kreature on earth is human"

recht haste.

ich wende mich also der tatsaechlichen sehenswuerdigkeit zu: uns. wir sind ein etwa zwanzigkoepfiges menschenmeer, das eingezwaengt in eine blechbuechse mal nach steuerbord und mal nach backbord schwappt. "a deer!! a deer!!!" toent einer mit besonders guten augen. das gefaehrt stoppt sofort und alle mannen hechten auf die seite, auf der das spektakel stattfindet. neunzehn fotoapparate machen einen haufen bilder, auf denen spaeter ein kleiner brauner fleck tatsaechlich mal ein hirsch gewesen sein wird.

und weiter geht die wilde jagd der zwanzig auf der suche nach ein bisschen thrill. die sonne sengt und die strasse zerruettelt selbst das konspirative zusammenspiel von koerpergeistundseele in lauter einzelteile.
nach einer viertelstunde spannung kommt eine wendeschleife. die menschlein stoeckeln ueber spitze steine zu einer aussichtsplattform hin.
unser reiseleiter versieht uns noch mit der information "5 minutes!", dann duerfen wir ziehen. das ist alles, was man ueber den mudumalai-naturpark wissen muss.
5 minutes.
nicht, dass es hier tiger, elefanten und sonstwas gibt oder gar, dass der beruechtigte raeuber veerappaan hier viele jahre lang sandelholz und menschen geraubt hat, bis er letztes jahr erschossen wurde und dass nur deshalb der park wieder offen ist...
5 minutes.
denn in 5 minutes kommt die naechste buskolonne und wir wuerden den eindruck von wilder unberuehrtheit mit unserer anwesenheit total kaputt machen.

ich persoenlich hab es, voellig ueberfordert von all den eindruecken, nicht mal bis ganz an die kante mit der tollen aussicht geschafft, als der busvorsitzende mich wieder auf meine platz zurueckscheucht. ich bin brav und sitze dafuer noch weitere 5 minutes ganz allein im bus.

auf der rueckfahrt gibt es noch viel weniger tiere zu sehen und unsere indischen mitreisenden fangen aus langeweile an, sich tiere herbeizuhalluzinieren. "a monkey!!!" alle springen auf die seite, wo nix ist, staunen eine weile ins gebuesch hinein, bis man sich einig wird, dass da wirklich gar nichts ist, kichern und setzen sich wieder bis zur naechsten fauna morgana.

mir schwant, dass wir fuer die tiere des waldes ein derart peinlicher anblick sein muessen... ein haufen erschreckter affen, zusammengepfercht in einem stinkenden blechvehikel, denn zu faul um zu laufen und zu schwach um zu rennen, wenn da draussen doch noch was leben sollte. eiern in der groessten hitze des tages, wo jedes halbwegs vernunftbegabtes tier im schatten bleibt, durch den wald und gaffen alles an und machen ah und oh, wenn sie was sehen, das sie noch nicht erschlagen, gefressen oder wenigstens eingesperrt haben...

ich kann den tiger verstehen, der sich diesen anblick erspart. :)

naja, die meisten tiere hab ich gesehen, waehrend wir auf die fahrkarten gewartet haben. trotzdem wars irgendwie lehrreich.
nach unserer wilden safari beobachten wir am fluss wie die arbeitselefanten geschrubbt werden. das ist sehr interessant. ein begleiter erzaehlt uns, dass elefant und reiter auf lebenszeit zusammenbleiben und dass es immer einen zweiten, mann gibt, der den elefanten mit pflegt und als reiter einspringt, wenn der erste stirbt.interessant ist auch, dass der elefant, den wir da beobachten in freiheit 35 menschen umgebracht hat, bevor er gefangen und gezaehmt wurde.

das merk ich mir und ich kann unseren fahrer verstehen, der auf der fahrt zurueck nach ooty nicht anhalten will, als am strassenrand tatsaechlich drei wilde eleanten auftauchen.
er hat sogar richtig angst und gibt mir zu verstehen, dass man nie weiss, wo die elis aus dem gebuesch auf die strasse kommen, dass wuetende elis sehr schnell laufen und nicht erst fragen, ob sie uns mal bitte ein bisschen zertrampeln duerfen. letztenendes muss er aber tun, was das weissbrot befiehlt, haelt aber in derart respektvoller entfernung, dass man auch noch aussteigen und ein stueck gehen muss, um der letzten freien kreatur wenigstens fuers fotoalbum noch eins ueberzubraten. dass da ausser uns noch wagenladungen von indern parken, jubeln und knipsen, dass die elis nicht aus lauter lebensfreude so trompeten, dass einer sogar auf den dreistesten bus losgeht und am ende alle drei weglaufen, tut der wildliferomanze keinen abbruch.

zufrieden kehren wir heim.

Sonntag, Oktober 02, 2005

attraktion ooty

ooty ist eine bergstation, ein vertraeumtes nest weitab von allem in den bergen, an einem see gelegen. einziger haken ist, dass irgendwer einen vergnuegungspark heraufgeschleppt hat, der von frueh bis spaet die einsamkeit mit den neuesten bollywoodhits aufwertet.

es gibt hier eine titanic-huepfburg, einen orangenen drachen, der den ganzen tag inderkinder schwindelig faehrt und alle paar meter werden kleine struppige pferde feilgeboten, auf die der inder seine expandierende gattin hieven und ein foto davon machen kann.

hier oben offenbart das schoene land ein ganz anderes gesicht. ein gebraeu aus dreck und schnulli. vielleicht liegts an der sonne, die, wenn sie doch mal durch den kalten dunst gelangt, dir mit laserstrahlen in den kopf sengt, vielleicht ists die duenne luft... wir folgen schildern wie "space ride" oder "thrillarium" und finden unten am see das "final fun center".

ein schuppen, in dem sich bei ohrenbetaeubender musik quietschende junginder mit autoscootern anrempeln. der letzte spass auf erden, der finale rettungsspass sozusagen, ist dann wahrscheinlich, in einem plasteboot (mit schwanenhals und gefaehrlicher schlagseite da wo die fette mama sitzt) auf den see hinauszustrampeln, draussen, auf ootys jauchegrube, chips zu essen und noch ein paar tueten mehr ins wasser zu schmeissen.

ich gehe ein paar schritte am see entlang und kanns nicht fassen. in indien schmeisst wirklich jeder seine sachen weg wo er gerade aufhoert, sie zu brauchen. es gibt nirgends papierkoerbe, ausser hie und da ein paar devoten plastetieren, die mit stierem blick und der bitte "use me" ihre schoesse aufhalten (meist hasen oder absurderweise pinguine, die einzigen vielleicht, die nicht heilig sind). ist aber selten was drin in den abfalltieren, das land ist an sich so lustig, dass der spassfaktor, einem traurig dreinblickendem haeschen dreck ins koerbchen zu werfen total untergeht.

unser hotel ist ein lichtblick in dieser endzeitstimmung. das feuchtkalte klima in den zimmern ist nicht gut fuer den hals, aber das macht der ausgezeichnete masalatee und die herzlichen leutchen (die hier wirklich ausserordentlich klein sind) wieder wett.
in zimmer neben uns wohnen ein paar moderne junginder, freunde, die sich hier alle paar jahre wiedertreffen, wie sic herausstellt. sie betrinken sich die ganze nacht vor unserem zimmer und lassen uns in aller lautstaerke daran teilhaben.
einer von ihnen macht das sogar so toll, dass er am anderen tag zu keinerlei spass mehr faehig ist und vor seinem zimmer sitzenbleibt, als die anderen schon wieder auf piste gehen. das verschafft mir die gelegenheit einer kleinen schnapsnasigen unterhaltung, bei der ich zuallererst nach hitler ausgefragt werde. da ich nicht die gewuenschte begeisterung fuer das thema mitbringe, gibt es mit dem hinweis, dass er ja nur mein bestes will, eine liste von orten, die ich unbedingt besuchen soll. denn da faende ich das wahre inden. unsere reiseroute findet er eher doof und ich werde nicht versuchen, dem energischen jungen mann, der 32 ist, eigenen angaben zufolge hauptberuflich fuer seine mutter sorgt und nebenbei trinkt wie kurt cobain und elvis presley, zu erklaeren, dass ich das wahre indien rein philosophisch gesehen eher um die ecke vermute, mitten unter uns sozusagen.
ich muss ihm fest versprechen eine liste von attraktionen, die er mir aufschreibt, abzuarbeiten, werde dafuer noch gesegnet und bin ganz froh, seiner schnapsfahne zu entkommen.
als wir abends zurueckkommen ist er mit all seinen freunden weg. wegen anhaltender trunkenheit und sonstigen schwierigkeiten aus dem hotel geworfen.

zurueck laesst er mir sache mit den attraktionen, den wenigen orten in jedem land, die entweder von der wirklichkeit verschont geblieben sind oder einem vorgaukeln sollen, dass es einmal eine zeit gegeben hat, die weniger wirklich war. und die sache mit uns touristen, die von attraktion zu attraktion tingeln und zu haus erzehlen, wie schoen das land war.

flucht aus mysore

ein kleiner ruettelbus hat uns aus mysore rausgebracht. mit uns an bord waren (neben einer anzahl raumgreifender indischer familien)der hupende fahrer, der linke aussenspiegel (ein junger mann, der waehrend der fahrt immer nachgucken musste, ob das gepaeck noch auf dem dach liegt) und der tonbandmann.

der kontrollierte die fahrkarten (dass ich unsre im hotel vergessen hatte, war ihm allerdings egal... das werd ich gelegentlich mal bei uns versuchen) und hielt bei jedem stopp eine mehrminuetige bewegende ansprache an die fahrgaeste, die er mit himmelwaerts gerichtetem blick wie ein uraltes tonband abspielte. so alt, dass nicht mal die anwesenden inder etwas verstehen konnten. ihm fehlten die meisten schneidezaehne und ich glaube, er konnte selbst nicht so recht verstehen, worum es ging. wir haben fleissig genickt und keinem ist was nachteiliges wiederfahren.

die fahrt in die berge war sehr schoen. wir haben dreissig rupien dafuer bezahlt, dass wir auf ein paar hirsche am strassenrand hingewiesen wurden (ok, bei der fahrt durch zwei wildparks, ich will ja nicht meckern, aber ich bin mir sicher, dass dieser durchfahrtseintritt direkt in die kaffeekasse des lustigen buskollektivs ging), wunderschoene aussichten genossen und gelernt, dass zwischen atemberaubend und halsbrecherisch oft nur wenige zentimeter liegen.
zum beispiel habe ich auf halber hoehe beim pausieren eine atemberaubend schoene inderin gesehen, die sich aus vollem halse ins trottoire erbrach...

so haben wir uns in wildem zickzack auf ca. 2500 m hochgeschraubt. es wurde dabei schnell immer kaelter und als wir in ooty ankamen, wusste ich, warum die haendler an der strasse hier hauptsaechlich muetzen verkaufen.